Interview mit Henning Rümenapp,
dem Gitarristen der Guano Apes
von Hansi Tietgen
?PG: Wenn man sich eure Songs anhört,
stellt man sehr schnell fest, dass du dein Hauptaugenmerk auf eine wirklich
songdienliche Gitarrenarbeit richtest (Siehe auch PG
Workshop). Einzige Ausnahme ist der Song Heaven, in dem du auch ein
kleines Solostatement zum Besten gibst. Hast du grundsätzlich kein
Interesse daran, oder woraus resultiert diese Zurückhaltung in Leadangelegenheiten?
!HR: Ich würde es tatsächlich
mangelndes Interesse nennen. Ich habe mich nie sonderlich für Gitarrensoli
interessiert. Für mich stehen eindeutig songdienliche Arrangements
im Vordergrund. Das war schon früher so. Egal, ob ich Unterricht
hatte oder irgendwelche Workshops mitgemacht habe, ich wollte immer nur
Akkorde lernen. Am besten Jazz Standards (lacht), da hatte man viel zu
tun und konnte eine Menge über den Umgang mit ausgefallenen Akkord-Voicings
erfahren. Aber in den meisten Fällen drehte sich in solchen Lernsituationen
sowieso immer alles nur um Skalen und Solotechniken. Und genau damit hatte
ich ein Problem ! Ich konnte den ganzen Kram - damals wie heute - nämlich
gar nicht so recht einsetzen, da wir von jeher in Triobesetzung spielten
und die Songs bei Single-Note-Lines so dermaßen zusammenbrachen,
dass das Ganze für meine Musik einfach keinen Sinn machte.
?PG: Wo wir gerade schon mal bei
Früher sind. Das mit den Jazz Standards hört sich ja
interessant an. Wie sieht es denn mit deinem musikalischen Background
und deinen gitarristischen Vorbildern aus?
!HR: Ich habe schon ziemlich früh
damit angefangen mich vom normalen Powerchordspiel loszulösen und
mich für coole, farbige Akkord-Voicings zu begeistern. Ich bin von
jeher ein absoluter Fan von Gitarristen wie Andy Summers oder Dominic
Miller (Gitarrist von Sting/ Anm. der Red.). Orchestrales Arbeiten, dass
ist das Zauberwort. Diese Herangehensweise ergänzt sich auf das Hervorragendste
mit dem aggressiven Stil unseres Bassisten Stefan. Wir sind ein total
eingespieltes Team und in der Lage, ein absolut dichtes Soundfundament
aufzubauen. Das ist auch für Sandra total wichtig. Unser Job ist
das Supporten ihres Gesangs.
?PG: Wie lange spielt ihr eigentlich
schon in dieser Besetzung zusammen?
!HR: Seit 1994. Vorher gab es uns
aber schon als Trio, ohne Sandra. Ursprünglich spielten Stefan und
Dennis damals in einer Fun Punk Band. Zu diesem Zeitpunkt fing ich gerade
erst an Gitarre zu spielen. Mein Bruder hatte sich damals ein Starter
Set gekauft, das ich dann - mangels Interesse - von ihm übernommen
habe. Es bestand aus einem kleinen Fender Squier Amp und einer Strat Kopie.
Die Gitarre habe ich immer noch. Ich habe sie sogar mal im Studio benutzt.
Das Teil klang tatsächlich stratiger als eine Pre-CBS Fender.
Na ja, ich habe dann irgendwann angefangen mit Dennis und Stefan rumzuhängen
und als es in deren Band kriselte, entschlossen wir uns dazu, es gemeinsam
zu versuchen. Zu diesem Zeitpunkt hießen wir sogar schon Guano Apes.
Da wir keinen Sänger fanden, übernahmen Dennis und ich diesen
Part. Es war absolut grauenhaft. Aber was sollten wir machen?! Uns blieb
ja nichts anderes übrig, also mußten wir den Leuten das eben
antun. Unsere Musik war ziemlich kompliziert und sehr insrumentallastig.
So 'ne Art Stolperfunk (lacht)! Eines Tages kam ein Freund von Dennis
auf ihn zu und erzählte ihm, er wolle eine Band gründen. Eine
Sängerin hätte er schon, nur ein Schlagzeuger fehle ihm noch.
Dennis hatte Interesse und ist dann gleich zum jammen mit ihm in den Proberaum
gegangen Nach der Session kam er ganz aufgeregt zu mir, um mir von der
coolen Sängerin zu berichten, die er gerade kennengelernt hatte.
Du kannst es dir ja denken - das war Sandra. Als sein Kollege mal keine
Zeit hatte, bin ich mit zur Probe gegangen und wir haben ihr dann unser
Demo vorgespielt. Sie fand unseren Sound sehr gut und so haben wir Dennis'
Bekannten kurzerhand rausgemobbt. Schwein gehabt!
?PG: Wie entwickelt ihr eure Songs?
!HR: Bei uns läuft eigentlich
alles über das Jammen. Wir haben festgestellt, dass das für
uns der einzig richtige Weg ist. Einer fängt an, spielt ein Riff
oder einen Groove und die anderen steigen ein. Sandra setzt ihre Stimme
während unserer Sessions eigentlich auch wie ein Instrument ein,
erfindet irgendwelche Fabeltexte und sucht so ständig nach der absoluten
Melodie. Als wir in dieser Besetzung anfingen, kamen die meisten Song-Basics
von den Harmonie-Instrumenten. Mittlerweile hat sich das geändert.
Erst neulich kam Dennis mit einer Idee an und dirigierte die Session:
Spiel doch mal das und das , hier das ist der
Groove, ne' das find' ich nicht so gut, mach doch lieber so!
Ich fand das richtig super und die Nummer ist sehr schön geworden.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hatten wir eigentlich schon
sehr viele unterschiedliche Phasen. Da fallen mir spontan die Lords Of
The Boards Sessions ein. Dennis stand wild gestikulierend in der Regie
und rief: Kannst du das nicht anders machen,
irgendwie schrapp, schrapp, schrapp! (lacht) In solchen Situationen
kann es dann schonn mal passieren, dass man sich genervt in die Wolle
kriegt weil man das, was der andere gerade von einem will, einfach nicht
versteht, geschweige denn umsetzen kann. Ich habe es damals anders versucht:
Komm Dennis, mach doch einfach selber.
Er hat es dann tatsächlich auch versucht, merkte in diesem Fall aber
recht schnell, dass seine Idee doch nicht so einfach umzusetzen war, wie
er es sich ursprünglich vorgestellt hatte. In solchen Situationen
finde ich es sehr wichtig, die Möglichkeiten der anderen Instrumente
genau zu kennen. So werden irgendwelche unspielbaren Ideen, von vorherein
ausgeschlossen.
?PG: Ihr seid grundsätzlich
sehr experimentierfreudig. Von Uptempo Nummern die schon fast in die Punk
Richtung gehen, bis zu Balladen ist eigentlich alles vertreten. Den roten
Faden bildet aber ganz eindeutig ein ausgeprägter Hang zu - nennen
wir es der Einfachheit halber mal- Crossover- und Funkgrooves. Woher habt
ihre diese Einflüsse und welche Bands haben euren Stil beeinflusst?
!HR:Das ist innerhalb der Band immer
unheimlich unterschiedlich gewesen. Sandra kommt mehr aus dem Hip Hop/Rap
Bereich und steht unter anderem auch auf Bands wie Korn und Limp Bizkit.
Bei Dennis war das ganz anders. Wir haben uns früher getroffen, um
uns nächtelang gegenseitig CD's vorzuspielen. Er hat versucht mir
die Musiker von Rick Springfield oder Aha näherzubringen. Ich habe
meine Beatles-, Sting- und Police- Scheiben in die Waagschale geworfen.
Stefan stand auf Primus und die Chili Peppers. Geschmacklich finden wir
uns irgendwie in der Mitte. Die Tatsache, dass wir auf sehr unterschiedliche
Stilrichtungen zurückgreifen können, hat der Musik der Band
immer sehr gut getan. Mittlerweile haben wir die Gewissheit, dass genau
diese Vielfalt von unseren Fans sehr geschätzt wird. Auf der Dödel
Up EP hatten wir, neben typischen Guano Apes Songs, zum Beispiel auch
eine echte Dance Nummer, mit knallhart editierten Drums. Die Leute mochten
es sehr. Coole Sache!
?PG: Ihr habt eure Fans ja auch gut
erzogen. Ich kenne kaum eine Band eures Genres, die mit so starken dynamischen
Elementen arbeitet wie ihr. Im einen Augenblick kriegt man noch alles
um die Ohren und eine Sekunde später liefert ihr bereits einen ruhigen
Groove Part vom Feinsten ab!
!HR: Das ist auch für mich die
größte Herausforderung. Ich musste solche Dinge erst lernen.
Meine Bandkollegen haben mich dahingebracht auch mal die richtig harte
Schiene zu fahren. Leute die sich zuhause meine Plattensammlung anschauen,
schütteln regelmäßig den Kopf. Für mich ist das kein
Problem. Ich trenne da ganz klar. In der Band spiele ich das, was für
unsere Musik am Besten ist, aber ich könnte mir privat nicht ständig
Korn oder so anhören. Ich lege zur Entspannung dann lieber eine Scheibe
von James Taylor auf. Oder ich kriege einen Beatles Flash. Musik ist eben
Stimmungssache. Wenn ich mir unsere Musik anhöre, dann finde ich
aber auch immer sehr viele Elemente, die aus meinen Hörgewohnheiten
resultieren. Und das ist auch gut so! Nichtsdestotrotz: Das volle Brett
zu fahren, macht mir mittlerweile auch ziemlich viel Spass.
?PG: Eure Musik lebt von der rhythmischen
Präzision. Ich hatte vor einigen Wochen ein Gespräch mit Alex
Scholpp von den Farmerboys. Er erzählte mir von seiner Übepraxis
und seinen Übesessions mit dem Metronom. Wie trainierst du solche
Dinge?
!HR: Ich habe mir auch mal ein Metronom
gekauft. Das habe ich erst letztens in irgendeiner Kiste wiedergefunden
(lacht!). Ne', so übe ich eigentlich nicht. Ich bin gerade was die
Studioarbeit betrifft, äußerst ehrgeizig. Wenn ich bei Aufnahmesessions
merke, dass da noch mehr drin ist, mache ich nicht eher Schluss, bis ich
zufrieden bin und auch im Regieraum alle Daumen hoch gehen. Alles andere
läuft über Spielroutine. Wir haben früher sehr viel geprobt
und sind seither ständig On The Road.
Das ist die beste Schule!
?PG: Apropos Studioarbeit. Hast du
bestimmte Rituale mit denen du dich auf solche Dates vorbereitest?
!HR: Mittlerweile schon. Früher
bin ich eher naiv an die Sache herangegangen. Ich erinnere mich noch an
die Sessions zu unserem ersten Album. ich hatte meinen JCM 900 und zwei
oder drei Klampfen mit. Der Produzent fragte mich dann: Und,
hast du dir mal ein paar Gedanken über Gitarrensounds und Arrangements
gemacht?! Ich hatte keinen blassen Schimmer und antwortete:
Wie Gitarrenarrangement?! Ich spiel doch live auch nur eine Gitarrenstimme!
Wir haben dann jede Menge Equipment dazugeliehen und experimentiert was
das Zeug hielt. Es gab ja auch eine Menge zu lernen. Mittlerweile habe
ich die Sache mit den Effekten aber wieder heruntergefahren. Ich sammle
zwar abgefahrene Tretminen, live habe ich mein Equipment aber auf das
Nötigste reduziert. Ich spiele jetzt seit gut anderthalb Jahren ein
Lexicon MPX G2 mit einem passenden R1 Stageboard und zwei Mesa Dual Rectifier.
Für unsere Mucke sind die Dinger einfach ideal. Ich werde bei den
Sessions zu unserem nächsten Album aber auch wieder damit anfangen,
andere Verstärker anzutesten. Da fast alle Bands aus unserem Genre
Rectifiers einsetzen, ist der Sound meiner Meinung nach ein bißchen
abgenudelt. Ich habe erst letztens einen Amp angetestet der mir sehr gut
gefallen hat. Er wurde von einem Typ entwickelt, der in der Nähe
von Bremen lebt. Die Jungs vom deutschen Vertrieb meiner Reverend Gitarren
machten mich auf ihn aufmerksam. Vielleicht ist das was.
?PG: Ich habe einmal ein Interview
mit Tom Morello gemacht. Er erzählte mir, dass er genau darüber
Buch führe, wie er welchen Sound erzeugt hat. Manchmal setzt er sich
alleine ins Studion und dreht an den Reglern seiner Tretminen, bis er
einen interessanten Sound im Visier hat. Dann notiert er sich die Einstellungen,
um bei der nächsten Aufnahmesession vielleicht genau diesen Sound
zum Besten geben zu können!
!HR: Abgefahren. Ne' so mache ich
das nicht. Ich lasse die Studioarbeit auf mich zukommen. Es gibt Riffs,
die entwickeln sich aus einem Effektsound. Andere wiederum stehen einfach
für sich selbst und benötigen vielleicht gar keinen zusätzlichen
Effekteinsatz. Ich entscheide das von Fall zu Fall. Bei den Aufnahmen
für unser nächstes Album möchte ich andere, neue Wege beschreiten
und ein bißchen weg von der Riff-Doppelei. Ich möchte viel
lieber zweite Gitarrenstimmen finden, die sich spielerisch und soundmäßig
vom Mainriff unterscheiden, um der Produktion so ein Mehr an Transparenz
zu geben. Es wird sicher interessant.
?PG: Da kann man ja gespannt sein!
Bleiben wir noch einen Augenblick bei deinen Arbeitsgeräten. Du hast
doch auch mal eine zeitlang Parker Gitarren gepspielt?!
!HR: Ja, ich habe mir mal eine aus
den Saaten mitgebracht. Damals wurde die Gitarre als die eierlegende Wollmilchsau
angepriesen und sie ist sicher auch nicht schlecht. Das ideale Instrument
für Top 40 Mucker, absolut vielseitig. Aber ich stehe mehr auf Klampfen
mit eigenem Charakter. Mittlerweile spiele ich fast ausschließlich
Reverend Gitarren. Sie klingen sehr gut und sind außerdem total
leicht. Ich stehe auf leichte Gitarren (lacht!). Ich hätte zum Beispiel
auch immer gerne mal eine Les Paul gehabt, aber das Gewicht hat mich abgeschreckt.
Bei mir muß alles praktisch sein. Ich halte nichts von Equipmentschlachten.
Wir sind sehr viel unterwegs und fliegen auch sehr viel hin und her. Bei
den Fracht-Preisen überlegt man schon mal etwas genauer, was man
wirklich braucht. Aber das ist nicht der eigentliche Grund. Früher
hatte ich mal ein riesiges Tretminen-Brett. Nach unserer ersten Show in
den Staaten fing das Teil bereits an, sich in Wohlgefallen aufgelöst.
Nach zwei weiteren Gigs funktionierte gerade noch zwanzig Prozent des
Zeugs, weil hier ein Stecker abgebrochen war und da ein Regler klemmte.
Dann habe ich einen Bericht über das Lexicon Teil gelesen. Der überzeugte
mich. Ich besorgte es mir und seither spiele ich live nichts anderes mehr.
Ich habe es halt irgendwie auch satt mit dem Fuß den Phaser zu verdrehen.
Ich will auf einen Taster drücken und schon muß es laufen.
So kann ich mich auch auf das wirklich Wesentliche konzentrieren: Die
Musik und die Show.
?PG: Wir haben ja gerade über
das Doppeln von Riffs gesprochen, um ihnen einen zusätzlichen Schub
nach vorne zu geben. Wie sieht es eigentlich mit eurem Tuning aus? Da
kursieren ja die wildesten Gerüchte!
!HR: Eigentlich machen wir nichts
besonders krasses. Im Normalfall stimmen wir um einen Halbton runter auf
Eb. Nur bei Living In A Lie habe ich zusätzlich die bereits auf Eb
runtergeschraubte tiefe E-Saite, einen weiteren Ganzton runter auf Db
detuned. Außerdem arbeite ich ab und zu sehr gerne mit dem Kapo.
Während der Aufnahmen zum Kumba Yo Song habe ich sogar mal wieder
Mandoline gespielt. Zwei Stunden, bis mir die Finger geblutet haben (lacht!).
Das hat tierisch viel Spass gemacht!
?PG: Wie ist es denn eigentlich zu
der Mittermeier Connection gekommen?
!HR: Michael hat uns auf der Pop
Komm angesprochen und uns von seinem Projekt erzählt. Seine Idee
war die, einen Soundtrack zu einer seiner Comedy Nummern zu produzieren.
So richtig kapiert, worum es eigentlich ging, haben wir zu diesem Zeitpunkt
allerdings ganz ehrlich gesagt noch nicht. Dazu bedurfte es eines weiteren
Telefonats. Als dann klar war was abging, sagten wir spontan zu und trafen
uns allesamt im Tonstudio. Die Situation war irgendwie ziemlich lustig.
Wir standen herum und keiner wußte so recht, wie wir anfangen sollten.
Irgendwann sagte dann jemand: Hey, lass uns doch
mal rübergehen! Wir sind dann in den Aufnahmeraum gestiefelt
und haben uns erst mal eine Gospel CD reingezogen, auf der eine Version
des Original-Songs vertreten war. Michael hatte uns zusätzlich noch
mit den Noten des Songs versorgt, aber trotz allem: Die zündende
Idee ließ nach wie vor auf sich warten. Mir fiel dann ein Riff ein,
das wir im Proberaum schon mal Just For Fun
gespielt hatten. Es hatte irgendwie einen russischen Touch. Dennis stieg
dann mit einem Groove ein und langsam kam die Sache ins Rollen. Für
den Vers hat Stefan dann noch ein Lick verbraten, das er immer schon mal
in einem Song unterbringen wollte und innerhalb der nächsten Stunde
stand das komplette Layout der Nummer. So kann's gehen!
?PG: Okay Henning. Die Pflicht ruft,
du musst auf die Bühne! Viel Spass bei eurem Gig und vielen Dank
für das nette Gespräch!
TIPP: Einen interessanten Workshop
mit Henning findest du hier.